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10. Februar 2010
Heckrinder-Projekt steht vor Bürokratie-Problemen
Wulfener Bruch: Veränderte Vorschriften bringen Beweidung
in schwieriges Fahrwasser
VON MATTHIAS BARTL, 27.01.10,
Andreas Wenk im Wulfener Bruch zwischen Heckrindern und Przewalski-Pferden.
(FOTO: HEIKO REBSCH)
WULFEN/MZ. Die Geschichte der Heckrinder im Wulfener Bruch ist erst rund zehn Jahre alt und eine Erfolgsgeschichte. Bisher wenigstens. Jetzt kommt Andreas Wenk, Geschäftsführer der Primigenius gGmbH, deren einziger Gesellschafter der Naturschutzbund Nabu ist, immer mehr mit gesetzlichen Vorschriften in Konflikt, die das ökologische Vorhaben unter ein ökonomisches Damoklesschwert stellen.
Mehrere Problemfelder
Und es gibt dabei nicht nur ein Problemfeld. “Es geht um die veterinärtechnische Überwachung, das Schlachten, um die Kennzeichnung der Tiere, die Beseitigung der Kadaver und auch um die Förderung”, zählt Andreas Wenk die Bereiche auf, in denen er erheblichen Nachbesserungs- und Änderungsbedarf sieht, wenn die extensive, ökologische Beweidung im Wulfener Bruch mit Heckrindern fortgesetzt werden soll.
In einem - bislang noch unbeantworteten - Brief an Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens hat Wenk die Probleme benannt und Wege dargestellt, die aus seiner Sicht zu einer Lösung führen könnten. Und Lösungen sind dringend notwendig, wenn das Beweidungsprojekt in der jetzigen Form überleben soll. Das geht schon bei der veterinärtechnischen Überwachung los. Da zeigt die faktische Gleichbehandlung von Rinderherden in Stallungen, bei denen die Tierseuchenbekämpfung quasi in der Massenabfertigung erfolgen kann, und halbwilden Rinderherden schnell deutliche Aufwands- und Kostenunterschiede. Während Mutterkuh-haltende Betriebe Fanganlagen betreiben, ist das Einfangen der Tiere in großflächigen Weidegebieten eine Sache von erheblichem Risiko für Mensch und Tier und von enormem Aufwand. Wie hoch der Aufwand sein kann, zeigte sich im vergangenen Winter, als die Heckrinder gegen die Blauzungen-Krankheit geimpft werden mussten. Für die angeordnete Fangaktion musste die Primigenius etwa 16 000 Euro allein für den Bestand der ungefähr 65 Rinder im Landkreis Anhalt-Bitterfeld aufbringen. “Ganz abgesehen davon, dass es bei solchen Aktionen immer ein hohes Risiko gibt, dass sich Tiere verletzen”, so Wenk. Auch Verkalbungen können als Folge nicht ausgeschlossen werden, “da uns der Grad der Trächtigkeit natürlich nicht bekannt ist”.
Holland als Vorbild?
Aber auch jenseits solcher einmaliger Kraftakte bleiben genug Aufgaben zu erfüllen, die die Arbeit des Kleinst-Unternehmens bürokratisch belasten. So müssen bei allen Rindern aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung regelmäßige Blutproben durchgeführt werden - auch hier macht sich der Fang der Tiere notwendig und sorgt für die bereits erwähnten Aufwendungen. In Holland, stellt Wenk fest, gebe es die Möglichkeit, aus den Herden Stichproben zu nehmen - das brächte schon eine sichtbare Entspannung mit sich.
Unüberwindbare Vorschriften
Ein weiteres Problemfeld ist das Schlachten der Tiere. Bis dato hat die Primigenius die dafür vorgesehenen Tiere direkt auf der Weide getötet. Das in die Wege zu leiten, war schon einer Jagd vergleichbar und wie eine Jagd auch nicht bis ins letzte Detail zu planen. “Von uns wird nun aber neuerdings gefordert, das geschossene Rind innerhalb von einer Minute mit einem Traktor anzuheben und das Ausbluten zu beginnen.” Da könne man nur von einer behördlich umgesetzten Schikane sprechen, findet der Primigenius-Geschäftsführer, weil die Tiere schon merken, dass etwas faul ist, um die mit der Aktion betrauten Personen, einschließlich der Tierbeschauer vom Veterinäramt, so dicht heranzulassen, dass diese Vorgabe zeitlich umsetzbar wäre. “Wir stehen aus diesem Grund vor dem Problem, das Fleisch der Tiere beziehungsweise die Rinder als Ganzes nur noch entsorgen zu können, weil unüberwindbare Vorschriften es verhindern, dieses beste in Deutschland erzeugte Fleisch von Weidetieren einer Nutzung zuzuführen”, so Wenk in seinem Schreiben.
Der andere Weg, der in Deutschland in der Regel beschritten wird, ist das Schlachten landwirtschaftlicher Nutztiere in speziellen Einrichtungen. Dazu aber müssen die lebenden Tiere verladen und transportiert werden, “was unter Gesichtspunkten des Tierschutzes und der Nahrungsmittelqualität vor allem bei den halbwilden Weidetieren unvert retbar erscheint”.
Ponys als Nachfolge-Tiere
2009 hat die Primigenius eine relativ große Anzahl von Schlachtungen beantragt, eben weil immer strengere Vorschriften es nötig machen, den Bestand zu reduzieren - wie viele von den ungefähr 40 Wulfener Heckrindern übrig bleiben werden, ist noch unklar. Klar dagegen ist, dass Wenk schon begonnen hat, das Beweidungsvorhaben auf andere vier Beine zu stellen. Seit einiger Zeit gibt es auf einer Fläche im Bruch Exmoor-Ponys, die anstelle der Rinder die “Weideaufgaben” übernommen haben. Freilich: Die Beweidung mit Pferden, so Wenk, ist ökologisch weniger günstig.