IN MEMORIAM

Yvette Wirth aus Vianden (Luxembourg)

Yvette Wirth 1    Yvette Wirth 2

Die Gründerin und langjährige Leiterin der Sektion Luxembourg im Vogelschutz-Komitee  e. V. ist überraschend verstorben. Sie hinterlässt als maßgebliche Ideengeberin und Vordenkerin eine große Lücke in der Gemeinschaft der ihr gleichgesinnten  Tierfreunde, die adäquat zu schließen wohl kaum möglich sein wird und unseren Respekt verlangt.                        
Wenngleich eine schwere Operation ihre Spuren hinterlassen hatte und schwerwiegende Kreislaufprobleme sie zu wiederholten Klinikbehandlungen gezwungen hatten, starb Yvette Wirth am  05. Dezember 2014 ganz unerwartet während eines neuerlichen  stationären Aufenthalts in einer Klinik.
Ihr Leben hatte sie dem Schutz und Wohlergehen der Tiere gewidmet, insbesondere unter Naturschutzerwägungen der Ungestörtheit frei lebender Wildtiere aller Arten in einem ungestörten Lebensraum. Diese Zielsetzung führte Sie schon im Jahre 1999 zum Vogelschutz-Komitee, um mit uns gemein-sam die schon damals schon längst überfälligen Änderungen der jagdrechtlichen Vorschriften sowohl in Deutschland als auch in ihrer Heimat Luxembourg anzustoßen und voran zu bringen. Sie hatte, als erste unseres Kreises, die Kenntnis er-langt vom damals ergangenen Urteil des EGMR, Europäischer Gerichtshof für Menschrechte, in Sachen Chassagnou et al. vs. France, der die zwangsweise Zuordnung von Grundeigentum zu einem Jagdsyndikat (in Deutschland: Jagdgenossenschaft) als einen Verstoß gegen Menschenrecht befunden hatte. Yvette Wirth formulierte diesen höchsten Richterspruch in ihren eigenen Worten ganz klar: „Es darf niemand gezwungen werden, sein Eigentum zur Verfügung zu stellen für Dinge, die er nicht akzeptiert“.

Alsbald hatte sie zusammen mit ihrer Mutter in einem Rechtsstreit vor dem höchsten luxemburgischen Verwaltungsgericht obsiegt und die Entlassung ihres Grundeigentums aus der Zwangszugehörigkeit zum örtlichen Jagdsyndikat erreicht. – Lange bevor deutsche Kläger überhaupt den Weg zu den Gerichten und schließlich zum EGMR fanden. Immer wieder trat Yvette Wirth hervor mit ihren Forderungen nach Wahrung des umfassenden Tierschutzes und der modernen Erkenntnisse der Wildökologie und Populationsbiologie bei der Ausübung der Jagd bei Achtung der Bedürfnisse und arteigenen Belange der Tiere.

Damit hat sie in ihrem Lande viel in Bewegung gebracht; die von ihr mit kreierte Internetseite entwickelte sich zu einer satirisch-humorvollen Plattform für Tierfreunde und Jagdkritiker. Sie, in ihrer zierlichen Statur zwar kein Kraftprotz, erwies sich als eine Meisterin des Wortgefechts, die ihre Gelegenheiten nutzte, sich in Presse und sonstigen Öffentlichkeit trefflich zu artikulieren. Ihr scharfer Geist und breite Sachkunde, gestützt auf große Ausdauer und zähes Durchhalten, waren ihre Stärke. Unter den Jägern und deren Sympathisanten hat sie sich wohl nur wenige Freunde gemacht, dennoch hat sie stets in der verbalen Auseinandersetzung um der Sache Willen nicht den schweren Säbel ihrer Kontrahenten geschwungen sondern stets das Florett als Waffe gewählt, wissend, dass sie nicht auf Rücksichtnahme ihr gegenüber hätte setzen können.
Dementsprechend hat man sie unerbittlich angegriffen – was sicherlich maßgeblich zu ihren sich zunehmend einstellenden gesundheitlichen Problemen geführt hat. Diese kleine, tapfere Frau mit dem Mut einer Löwin und der Ausdauer einer Triathletin hat, ohne jede Rücksichtnahme auf ihr eigenes Wohl und Hab und Gut, nicht aufgegeben.                                                                  
Ihr plötzlicher Tod zeigt: Das bedingungslose Eintreten für Natur- und  Tierschutz ist lebensgefährlich!  

Yvette Wirth hat eine spürbare Umgestaltung der jagdrechtlichen Bedingungen im Großherzogtum bewirkt. Allerdings mit dem „Bumerang“, dass das von ihr und ihrer Mutter er-strittene Gerichtsurteil hinfällig wurde. So begann für sie der Weg durch die nationalen Gerichtsinstanzen auf´s Neue, um den Weg zum EGMR für sie frei zu machen. Das war ihr Ziel, selbst auch beim Menschengerichtshof die Befreiung ihres Grundeigentums von der Zwangsherrschaft des Jagdsyndikats zu befreien. Frist für die Klageschrift war Anfang Januar diesen Jahres….. .
In unserem letzten Telefonat Ende November war sie guten Mutes; und sie erklärte, dass sie nicht aufgeben werde solange nicht die wild lebenden Tiere auf ihrem Grundstück ungestört leben könnten. Doch dann …. kam der Tod.

Yvette Wirth war Autorin eines aufklärendes Sachbuchs , "Die Jagd, ein Mordsspaß", mit welchem sie  gemeinsam mit der luxemburgischen Tierschutzorganisation ALPA  eine große Kampagne startete unter dem Motto "Stoppt d'Juegd op de Renert"  („Stoppt die Jagd auf den Fuchs“). In deren Verlauf wurden mehr als 8000 Unterschriften gesammelt.  Auf Grund dieser Kampagne wurde dann die von Jägern betriebene Fuchs-Schliefanlage geschlossen. Das war ein wichtiger Meilenstein auf Yvettes Weg!

Er kam zu früh, in jeder Hinsicht. Yvette hatte noch so viel vor, große Pläne für den Schutz der Tiere. Wahrlich tragisch ist dabei, dass nun im Großherzogtum Luxembourg sich völlig überraschend eine neue Regelung ergeben hat, für die Yvette Wirth gestritten und gekämpft hat: Ob sofort dürfen Füchse überhaupt nicht mehr bejagt werden. Man folgt endlich, und da ist plötzlich Luxemburg ein Vorreiter, den wissenschaftli-chen Erkenntnissen zur Populationsbiologie und wildbiologi-schen Untersuchungen. Dass nämlich (u.a.) ein Fuchsbestand nicht der Bejagung bedarf: Weil sowohl die Tollwut als auch der dreigliedrige Bandwurm (Echincoccus) keine Gefahr für die menschliche Gesellschaft bewirken; ferner weil der inner-artliche Regulationsmechanismus den Fuchsbestand wirksam  reguliert, was durch jagdliche Maßnahmen nicht möglich ist. Darüber hinaus führt Luxembourg auch weitreichende Schonzeit für Wildschweine ein. So entsteht ganz unverhofft das, was Yvette Wirth angestrebt hat: Ruhe für die Wildtiere.
Schade, dass sie das nicht mehr erleben durfte! Aber gerade darum darf man wohl sagen, dass derjenige Gutes gewirkt hat, dessen Vision nach seinem Abtreten von der  Bühne wahr wird.

Yvette Wirth war, nicht nur für uns, aber für das Vogelschutz-Komitee ganz besonders, eine wichtige Mitstreiterin im täg- lichen Eintreten für das Wohlergehen und den Schutz aller Tiere. Sie war für uns ein ganz maßgeblicher Mitdenker und eine unbeirrbar klare Analystin in neuen Situationen. Ihre mit Humor gepaarte Feinsinnigkeit, ihre unbeirrbare Treue zu den eigenen Zielen und das zähe Überdauern vieler Fährnisse und Widerstände machten Yvette Wirth schon zu Lebzeiten zu einem nachahmenswerten Vorbild des Durchhaltevermögens und gaben ihr die Größe, die sie an eigenem Wuchs nicht gerade hatte.

Wir verbeugen uns in großer Ehrfurcht und Gedenken vor Yvette Wirth und ihrem Werk, das wir als ihr Vermächtnis wahren und in ihrem Sinne fortführen werden. Wir alle haben eine wirkliche Tierfreundin  verloren; Luxembourg und Europa sind um eine tapfere und aufrichtige Bürgerin ärmer geworden! Wir haben eine wahre, gute Freundin verloren.

Ade, Yvette!

Dr. Eberhard Schneider

*: Die Luxemburger Tierschutzorganisation ALPA veröffentlichte ebenfalls einen Nachruf auf Yvette,(www.alpa.lu) ; das Luxemburger Fernsehen rtl.télé brachte einen Nachruf am 15.12.2014 in der Sendung "Magazin, den Nol op de Kapp" von Marc Thoma.