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Dr. Inge Jaffke Nachruf

In stillem Gedenken verneigen wir uns und nehmen Abschied

Dr. Ingeborg Jaffke

13.11.1925 – 31.10.2012

Gründungsmitglied und Ehrenpräsidentin des Vogelschutz-Komitee e.V.

hat in gesegnetem Alter nach kurzer Krankheit diese Welt verlassen.

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Die gebürtige Berlinerin hat nach ihrem Studium der Zahnmedizin in Göttingen sich der Kieferorthopädie gewidmet und dann in Hamburg die dortige Praxis Ihres Vaters weitergeführt. Ihr Leben hatte sie aber dem Tier- und Naturschutz verschrieben und sich ganz besonders um den Vogelschutz bemüht und verdient gemacht. Aus der von ihrem Vater begründeten Gesellschaft für Tier- und Lebensschutz hat sie 1975 zusammen mit ihr verbundenen Vogelschützern in Hamburg das Komitee gegen den Vogelmord gegründet.

Schon zuvor hatte sie mit ihren Verbündeten Helmut Schlitte und Dr. Dr. Klaus Sojka in einem erfolgreichen Rechtsstreit das Verbot der damals praktizierten Begasung der Fuchs- und Dachsbaue in den heimischen Wäldern erwirkt. Forthin richtete sich die Zielsetzung ihrer Tätigkeit vorrangig auf den Schutz freilebender Vögel vor jeglicher Verfolgung, ob durch Jäger, Wilderer oder Tierfänger und Vogelhändler. Die Tätigkeitsspanne reichte vom individuellen Schutz für einen im Käfig gehaltenen Vogel bis hin zum Artenschutz und Biotopschutz für alle Vogelarten. Dr. Inge Jaffke machte da keinen Unterschied, vor ihr waren alle Geschöpfe gleich.

Auch als das Fangen von Vögeln für die Haltung in Gefangenschaft noch zulässig war, zog sie dagegen zu Felde. „Ein Käfig ist kein Lebensraum“ war ihre innerste Auffassung; weshalb sie maßgeblich initiativ war an den sich einstellenden Änderungen der Rechtsvorschriften. Es gelang ihr, in der ihr ganz eigenen Überzeugungskraft und Hartnäckigkeit, immer wieder Fachleute aus den einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen zu gewinnen und ihnen hoch qualifizierte Fachbeiträge und Expertisen abzugewinnen, mit denen sie den immer wieder ihr entgegen gestellten Behauptungen Paroli bot und die von Vogelhaltern geltend gemachten „Nachzuchten“ als vielfach unwahr entlarvte. In langwierigen Recherchen deckte sie Unwahrheiten aus den Kreisen sogenannter Vogelzüchter auf und sie selbst hat so manchen Vogelhändler entlarvt, der illegal gefangene Wildvögel feilbot. – Sie hat den Kampf gegen die Vogelhändlermafia nicht gescheut; auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel erschien – dessen Ausgang sie nun leider nicht mehr mit erleben kann.

Mit einer von ihr initiierten Fachtagung „Illusion der Arche Noah – Gefahren für den Artenschutz durch Zucht in Gefangenschaft“, zu der sie eine Reihe renommierter Fachleute als Referenten und Autoren der späteren Kongress-Publikation gewonnen hatte, bewirkte sie helle Aufregung in der Welt der Zoos und sonstigen Tierhaltungen. Die Diskussion dazu ist heute noch im Gange, viele der damals aufgezeigten Gefahren haben sich (leider) so bewahrheitet.

Einen Schwerpunkt der von Dr. Inge Jaffke geleisteten Vogelschutzarbeit bildeten, nachdem die EG-Vogelschutz-Richtlinie 1979 die Handhabe bot, die von ihr initiierten Kampagnen gegen die Vogelwilderei in Italien. Der Slogan „Kein Urlaubsort wo Vogelmord“ wurde weithin bekannt. – Und hat seiner Urheberin nicht nur Bekanntheit verschafft sondern auch Respekt bei der wachsenden Zahl ihrer Kontrahenten. Er hat viel bewirkt; zwar weniger in der eigenen Heimat oder in der avisierten Tourismusbranche. Aber sie erreichte Italiens Vogelfreunde, die sich dann in den Folgejahren mehr und mehr formierten und mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung der unnachgiebigen Vogelschützerin zunehmend erfolgreich gegen die Vogelstellerei der italienischen Wilderer vorgehen konnten.

Darüber hat Dr. Inge Jaffke aber nicht die heimische Vogelwelt vergessen: Der seinerzeit noch legale Abschuss von alljährlich zehntausenden Wildgänsen, Wildenten und anderen Wasservögeln (sowie Seehunden) bei der Jagd im Watt der Nordsee (die sie so sehr liebte, dass sie jedes Jahr mehrere Wochen auf Sylt zubrachte) war ihr total zuwider und ließ sie nicht ruhen. Was wundert es, dass ihre „Handschrift“ im 1985 realisierten Jagdverbot für das Gebiet des deutschen Wattenmeer zu finden ist!

Auch die Bedeutung des Bioptopschutzes als wesentlich tragende Säule des Vogel- und Naturschutzes hat die rastlose Vogelschützerin nicht verkannt; sie hat den Erwerb eines gut 70 ha großen Teichgebiets bei Raisdorf (Schleswig-Holstein) realisiert, das bis heute ein wichtiges Vogelschutzgebiet darstellt. Aber Dr. Inge Jaffke war für mehr große Taten geschaffen! Sie hat, dank der hervorragenden und qualifizierten Ausstattung mit Fachwissen durch die ihr stets kompetent zur Seite stehende Fachleute, in erheblichem Maße die europäischen Rechtsvorschriften der Vogelschutz-Directive (1979) mit beeinflusst, auf der bis heute der EU-Naturschutz aufbaut. Auch in die Gestaltung der Regelungen zum internationalen Handel mit geschützten (Vogel-) Arten hat sie sich eingebracht. Unter Ihrer Führung wurden allein in Deutschland über 450.000 Unterschriften gesammelt, die sich gegen den Import von Wildvögeln aussprachen. Diese wurden im Herbst 1996 dem damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments MdEP Hänsch in Straßburg übergeben, wohin Dr. Inge Jaffke mit einer kleinen Delegation gereist war.

Die fand dann aber statt, aus ihrem neuen Wirkungsfeld heraus. Denn nach erheblichen Differenzen in der Führung des von ihr mit-begründeten KgV wurde sie (zusammen mit dem langjährigen Schatzmeister und ebenfalls Gründungsmitglied Helmut Schlitte) in einer sehr merkwürdig verlaufenden Mitgliederversammlung nicht nur „abgewählt“ und ihrer Geschäftsführung verlustig. Wenige Tage später rückte dann bereits ein Umzugskommando aus Bonn bei ihr an und räumte die von ihr so lange geführte Geschäftstelle in Hamburg. Sie, Schlitte und andere Mitglieder des Vereins wurden danach sogar von der Mitgliedschaft ausgeschlossen – was Dr. Inge Jaffke sich in der ihr eigenen Hartnäckigkeit natürlich nicht bieten ließ sondern durch Anrufung des Gerichts die vormalige Mitgliedschaft im von ihr über mehr als zwei Jahrzehnte geführten und geprägten Verein wiederhergestellt hat. – „Der Ordnung halber“, wie sie meinte!, wobei manch anderer wohl ob der ihm zugefügten Schmach eher die Flinte in´s Korn geworfen hätte, um sich nur noch privaten Dingen zu widmen. – Immerhin liebte sie Musik, ging öfters in´s Konzert und wusste sich auch sonst schöngeistig und anspruchsvoll zu beschäftigen.

Doch, Dr. Inge Jaffke wäre nicht Inge Jaffke gewesen, hätte sie sich auf´s Altenteil verweisen lassen: Schon eine Woche nach dem Vorstandsdebakel war sie (zusammen mit anderen Getreuen wie Helmut Schlitte usw.) Mitbegründerin des heutigen VsK Vogelschutz-Komitee e. V., mit Sitz in Hamburg. Rüstig und unverzagt wie sie war, nahm sie neue Aufgaben auf sich und lenkte die Geschicke ihres neuen „Sprösslings“. Mit einer maßgeblichen Hilfe aus ihrer Privatschatulle verhalf sie dem Vogelschutz-Komitee zu einem guten Start in eine neue Zukunft ihrer eigenen Vogelschutz-Arbeit, in die sie sich auch mit all ihrem Wissen, Kenntnissen und so mancherlei Detail um „Personalia“ in den Verbänden, Behörden und Organisationsebenen einbrachte. Ihr wichtigstes „Kapital“ trug sie im Kopfe. Sie kannte fast jeden … und jeder kannte Sie. Wenngleich sie im Lager der Vogelfänger,- halter und –händler, bei Jägern und Anglern und alle jenen, denen Sie „auf die Finger klopfte“ nicht unbedingt Freunde hatte, so fand sie doch überall Respekt. Die von ihr präsentierten Expertisen, Forderungskataloge usw. hatten immer Hand und Fuß – und sie war niemals zu irgendwelchen faulen Kompromissen bereit; sie war nicht käuflich dafür aber unerschrocken und zäh! Das alles, ohne selbst viel öffentliche Reden zu halten. – „Eine bemerkenswerte Frau“ äußerte sich einmal ein Sitzungsteilnehmer.

Dabei war Dr. Inge Jaffke, sonst ja „nicht auf den Mund gefallen“,. Es war ihr aus ihrem Wesen heraus nicht daran gelegen, in der Öffentlichkeit sich durch besondere Auftritte zu präsentieren. Sie scheute sich, was vielleicht ab und an hätte sein müssen…. , Reden zu halten. Das überließ sie lieber anderen, lauschte dafür umso aufmerksamer! Aber sie war stets an vorderster Front dabei; so auch als es im Europäischen Parlament zur Abstimmung kam über die Neuregelung der Vorschriften zum Import geschützter Vogelarten. Ihre langjährige Freundin und Verbündete MdEP Undine von Blottnitz stritt damals heftig mit ihren Parlamentskontrahenten; sie war von Inge Jaffke fachlich gut präpariert worden. Dass es nicht ganz so ausging wie erhofft, lag an der zu knappen Zeit, in der Parlamentarier für den Schutz der Vögel gewonnen werden konnten. Dennoch ließ sich eine Dr. Inge Jaffke nicht verdrießen – es ging für sie immer nur vorwärts!

So hat sie 1997 die Kontakte nach Spanien geknüpft, woraus sich dann die Aktivitäten des Vogelschutz-Komitee gegen die Vogelwilderei in Katalonien entwickelt haben. Zweimal war sie selbst mit vor Ort, um in den großen Fanganlagen (“Barracas“) eingefangene Vögel zu retten. Sie war Befürworter des Landerwerbs, um auf den dann Eigentumsflächen des Vogelschutz-Komitee die Vogelfängerei, heute der gesamten Jagdausübung („Fin de Coto“), zu unterbinden. Was sie gleichermaßen erfreut hat wie der nach jahrelangen Mühen ziemlich rasch sich einstellende Erfolg der Kampagnen: Das weitestgehende Ende der Vogelfängerei in Katalonien.

Nicht mehr selbst teilnehmen konnte sie an den Aktionen gegen die Vogelwilderei auf Zypern. Doch auch dazu hat sie ihre volle Unterstützung gegeben. Jeder gerettet Vogel war für sie ein Erfolg und ein Schritt auf dem mühevollen Weg zu ihrem Ziel. So wie sie auch im Kleinen für jeden Vogel das Beste suchte, wie z. B. bei den Unternehmungen gegen die „Finkenmanöver“, die „Buchfinken-Gesangswettbewerbe“ im Harz. Auch da war sie anfänglich in der vorderen Reihe mit dabei, als wir vom Vogelschutz-Komitee mit anderen Verbündeten vor Ort demonstrierten und die tierquälerischen Veranstaltungen Stück für Stück zum Erliegen brachten. Als wir seinerzeit in Benneckenstein von gedungenen Schlägern attackiert wurden, erlitt Inge Jaffke einen Handgelenksbruch. Den nachfolgenden Verband hat sie mit Stolz getragen und als ihr persönliches Opfer für die gequälten Vögel betrachtet, die ihr ganzes Leben in den engen Käfigen leiden müssten… .

Dass sie oft ungeduldig war, wenn sich Dinge in Verhandlungen zäh hinzogen oder gar die Widersacher aus oftmals vordergründigen Entscheidungen heraus triumphierten, lag in ihrer Natur. Aber Dr. Inge Jaffke gab nie auf. – Außer in den letzten Jahren, als es mühevoller für sie wurde und, einer nach dem anderen, ihre alten Weggefährten nicht mehr da waren. Früher war sie selbst sehr viel gereist, hat so viele Gebiete mit ihrer vielfältigen Vogelwelt besucht; „dabei kenne ich die meisten Vögel gar nicht, aber sie sind alle so wunderbar und schön ….“, hat sie mir mal während einer Schilderung einer solchen Reise gestanden. Zumeist hat sie sich dazu fachkundig geführten Exkursionen angeschlossen, die sie überall im Lande miterlebt hat, die sie an die geliebte Nordsee geführt haben und rund um die halbe Erdkugel … bis hin in die Antarktis. Dass aber zunehmend ihre alten Exkursionsbekanntschaften sich auflösten, das hat ihr wohl sehr zugesetzt: „… ist ja kaum noch einer da“, klagte sie in einem unserer letzten Telefonate. Es lockte sie irgendwann nicht mehr, große Reisen zu unternehmen. Und sie zog sich immer mehr zurück. Der Alltagstrubel war ohnehin nicht ihre Sache, sie liebte es mehr, für sich zu sein und zog dem den telefonischen Kontakt im weitreichenden Bekanntenkreis vor. Aber sie zog sich auch zunehmend aus dem Geschehen um den Vogelschutz in Deutschland und Europa, dem sie ihren Stempel eingeprägt hat.

Dr. Inge Jaffke war eine geradlinige, zielstrebige Frau, unnachsichtig gegenüber allem, was den Vögeln abträglich war, großzügig wenn es darum ging, den geliebten Vögeln zu helfen, ganz gleich ob seltener Wanderfalke oder „ihre“ Tauben auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Sie hatte sich ein reiches, fachlich fundiertes Wissen zugelegt, auf das nicht mehr zurückgreifen zu können sehr bedauerlich ist. Aber, sie hat auch ihr Gedankengut weitergegeben, sie hat viele Menschen für den Vogelschutz begeistert und gezeigt, dass man viel erreichen kann.

Das Vsk Vogelschutz-Komitee e.V. hat sie deshalb schon längst zur Ehrenpräsidenten ernannt und in ihrem Sinne ihr Werk weitergeführt unter der obersten Prämisse: fachlich fundiert, geradlinig und ohne faule Kompromisse für die Vögel eintreten.

Dr. Inge Jaffke hat auch uns ihren „Stempel aufgedrückt“; darauf sind wir stolz und werden nicht nur ihr Andenken in Ehren halten sondern in ihrem Sinne weiter für die Vögel, ihre Lebensräume und alle zugehörigen Organismen eintreten.

Die letzte Ruhe hat ihre Urne außerhalb von Hörnum am 19. November 2012  im Wattenmeer vor Sylt gefunden.

Göttingen, den 06. Januar
Dr. Eberhard Schneider, Präsident